Torjägerkanone für alle

"Mein Dank gilt dem gesamten Team": Maren Schönherr über ihre "Torjägerkanone für alle"

Die Torjägerin vom SV 1967 Mülheim-Raadt erzielte in der vergangenen Kreisliga A-Saison 94 Treffer in 20 Spielen. Offizielle Ehrung im September.
25. Juli 2023 Allgemein | GlobalText: Peter Haidinger/MSPW, Fotos: SV 1967 Mülheim-Raadt/Privat
Bildquelle: SV 1967 Mülheim-Raadt/Privat
Maren Schönherr traf in der Saison 2022/2023 im Schnitt fast fünfmal pro Spiel.

Der SV 1967 Mülheim-Raadt legte in der Frauen-Kreisliga A Oberhausen/Bottrop eine fulminante Saison 2022/2023 hin. Die Grün-Weißen, deren Platzanlage nur unweit vom Flugplatz Essen/Mülheim entfernt liegt, stiegen mit 72 von 78 möglichen Punkten, 15 Zählern Vorsprung und einer eindrucksvollen Tordifferenz von 223:21 Toren souverän in die Bezirksliga Niederrhein auf. Die "Macht vom Flughafen" - so nennt sich der Verein selbst - erzielte im Schnitt pro Partie 8,57 Tore, erlebte einen unverhofften Höhenflug.

Entscheidenden Anteil am Erfolg der Mülheimerinnen hat Torjägerin Maren Schönherr. Die 25-Jährige, die in der Gebrüder-Grimm-Schule in Ratingen-Süd ihren Lebensunterhalt als Erzieherin verdient, schoss sich mit insgesamt 94 Saisontreffern an die Spitze der bundesweiten Wertung zur Torjägerkanone für alle in der 7. Liga, erzielte mehr als 42 Prozent aller Tore ihres Teams. "Der Aufstieg ist eine geile Sache. Wir wollten es unbedingt schaffen, sind jetzt extrem heiß auf die Bezirksliga, die für uns absolutes Neuland ist", sagt die Angreiferin, die von den Schulkindern nur liebevoll "Schöni" genannt wird, im Gespräch mit FUSSBALL.DE.

Dabei landete die 1,71 Meter große Maren Schönherr einen echten Start-Ziel-Sieg. Denn gleich zum Saisonauftakt des SV 1967 Mülheim-Raadt gegen die SG Osterfeld (26:0) weckte sie mit spektakulären 17 Treffern nicht nur die Aufmerksamkeit des Fußball-Fachmagazins "kicker", sondern legte mit ihrer sagenhaften Torausbeute, die während der gesamten Saison bundesweit von keiner Spielerin mehr übertroffen werden sollte, auch direkt den Grundstein zum Gewinn der Torjägerkanone.

Als es dann dem Saisonende entgegenging, hatte "Schöni" das Ranking immer fest im Blick und durfte sich am Ende im zweiten Anlauf über die Trophäe freuen. Noch in der Saison zuvor musste sich Maren Schönherr schließlich mit damals 79 Toren hinter Marie Asnaimer, die 93-mal getroffen hatte, mit Platz zwei zufriedengeben. Diesmal ließ sie sich jedoch nicht von der Spitze verdrängen und hatte am Saisonende elf Treffer Vorsprung vor der Zweitplatzierten Estella Cron (FV Bonn-Endenich 08), die bei 29 Einsätzen 83 Tore markierte. Zum Vergleich: Maren Schönherr benötigte für ihre 94 Treffer lediglich 20 Partien, war also im Durchschnitt 4,7-mal pro Spiel erfolgreich.

"So richtig habe ich es noch gar nicht realisiert, was mir gelungen ist", erklärt die Mülheimer Torjägerin und Kapitänin: "Mein Dank gilt dem gesamten Team. Ohne die Hilfe meiner Mitspielerinnen hätte ich das niemals geschafft."

Tore von der Eckfahne sind für Maren Schönherr kein Problem.

Maren Schönherr wurde ihr sportliches Talent praktisch in die Wiege gelegt. Vater Roland spielte Handball, Mutter Silke Volleyball. Mit sieben Jahren entdeckte Maren gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Lena die Leidenschaft für den Fußball. Während eines Urlaubs kickten die Zwillinge stundenlang auf einem Garagenhof, übten sämtliche Tricks.

Während Lena mittlerweile aufgehört hat, dem Ball hinterherzujagen, zahlt sich das intensive Training für Maren aus. Dabei hat die Stürmerin auch eine ganz besondere Spezialität: Direkt verwandelte Eckbälle. Nachdem ihr zuvor schon von der linken Seite mit dem rechten Fuß zwei Eckballtreffer gelungen waren, traf Schönherr in der abgelaufenen Saison sogar einmal mit einem "krummen Ding" von der rechten Eckfahne, obwohl sich in diesem Fall die Kugel eigentlich zunächst vom Tor wegdreht.

Ihre wichtigste Stärke auf dem Platz sieht "Schöni" allerdings woanders: "Ich habe vor allem einen guten Torriecher. Ich weiß, wo ich zu stehen habe, und bin dann im Abschluss in der Regel eiskalt." Eines liegt der Mülheimer Torgarantin allerdings ganz und gar nicht. "Ich habe in meinem ganzen Leben erst zwei Kopfballtreffer erzielt. Das ist nicht mein Ding, wahrscheinlich werde ich es auch nicht mehr lernen", sagt sie mit einem Grinsen.

Für die neue Saison in der Bezirksliga hat sich die gebürtige Düsseldorferin schon jetzt wieder hohe Ziele gesteckt. "Tatsächlich nehme ich mir vor jeder Saison mindestens 27 Tore vor, weil das auch meine Trikotnummer ist", betont sie selbstbewusst.

Neben ihrer Arbeit als Erzieherin und dem Fußball hat Maren Schönherr nur wenige weitere Hobbies. Eine große Leidenschaft ist allerdings das Backen. "Russischen Zupfkuchen backe ich am liebsten", verrät sie. "Entweder bekommen die Kinder in der Schule oder meine Mitspielerinnen den Kuchen dann zu essen."

Aber auch bei der Nachwuchsförderung in ihrem Verein ist Maren Schönherr sehr engagiert. Seit sechs Jahren kümmert sich die Torjägerin beim SV 1967 Mülheim-Raadt als Trainerin, hat schon sämtliche Juniorinnenteams betreut und ist aktuell als U 17-Trainerin tätig. Mit Abwehrspielerin Hannah Schlicht, die inzwischen ebenfalls für die erste Frauenmannschaft kickt, ist sogar eine Spielerin mit ihr gemeinsam aufgestiegen, die sie früher schon selbst trainiert hatte. "So langsam trägt die Arbeit Früchte. Ich gehe davon aus, dass Hannah nicht die letzte Spielerin sein wird, die bei uns den Sprung aus der eigenen Jugend in die Frauenmannschaft schafft."

Die 27 auf dem Trikot steht bei Maren Schönherr auch für die Anzahl der Tore, die sie jede Saison mindestens schießen möchte.

Vor dem eigenen Saisonstart fiebert die Torjägerin der Frauen-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland entgegen. "Ich bin glücklich, dass die Spiele der deutschen Nationalmannschaft live im Fernsehen übertragen werden", sagt Maren Schönherr. "Ich bin schon richtig heiß auf die WM."

Damit die fußballbegeisterte Torjägerin die Spiele, die wegen der Zeitverschiebung in Deutschland vormittags gezeigt werden, auch sehen kann, musste sich die Erzieherin etwas einfallen lassen. Sie fragte bei ihrer Chefin nach, ob sie in der Schule mit den Kindern die Partien vor dem TV verfolgen darf und bekam "grünes Licht" dafür. “Wir werden die deutsche Nationalmannschaft anfeuern und fest die Daumen drücken. Ich hoffe, dass das Team genauso erfolgreich sein wird wie bei der EM in England.”

Am Dienstag, 12. September, wird dann auch Maren Schönherr selbst im Mittelpunkt stehen. Im Rahmen des Länderspiels zwischen Deutschland und Vizeweltmeister Frankreich werden dann nämlich die Ehrungen für alle Gewinner/innen der Torjägerkanonen in der riesigen Spielstätte des Bundesligisten Borussia Dortmund vorgenommen.

"Die Vorfreude auf dieses Ereignis wird bei mir von Tag zu Tag größer. Obwohl ich glühender Bayern-Fan bin, freue ich mich schon sehr auf das BVB-Stadion. Ich war noch nie dort und bin auf die Atmosphäre gespannt", sprudelt es aus ihr heraus.

Nachdem im Vorjahr die Ex-Nationalspieler Mario Gomez, Ulf Kirsten und Benedikt Höwedes die Trophäen überreicht hatten, kann "Schöni" die Auszeichnung kaum mehr abwarten. Was die Ehrungsdelegation angeht, macht sie gleich eine Reihe von Vorschlägen. "Am liebsten wäre mir, Torjägerinnen wie Alexandra Popp, Lea Schüller oder Inka Grings treffen zu dürfen", schwärmt Maren Schönherr und fügt mit einem Lachen hinzu: "Mit Bayern-Legenden wie Thomas Müller, Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger könnte ich aber auch gut leben." Sicher ist: Die eine oder andere prominente Fußballpersönlichkeit werden Maren Schönherr und die weiteren "Kanonier/innen" in Dortmund sicherlich kennenlernen.
 


Dieser Text erschien zuerst am 23. Juli 2023 auf FUSSBALL.DE.