Schiedsrichter

Vier Schiedsrichter in einer Krefelder Familie: Einer muss die Stoppuhr nehmen

Vater Rüdiger Behrend (52) sowie seine drei Söhne Moritz (21), Justus (19) und Malte (16) sind allesamt für Preußen Krefeld als Unparteiische im Einsatz.
21. Juli 2021 Schiedsrichter | Kempen / KrefeldText: Peter Haidinger/MSPW
Vier Schiedsrichter in einer Krefelder Familie: Einer muss die Stoppuhr nehmen
Bildquelle: Privat/FUSSBALL.DE
Die Vier an der Pfeife: (von links) Vater Rüdiger, mit seinen Söhnen Moritz, Justus und Malte.

Vier Schiris in einer Familie: Vater Rüdiger Behrend (52) sowie die drei Söhne Moritz (21), Justus (19) und Malte (16) sind für den Verein Preußen Krefeld aus dem Kreis Kempen/Krefeld regelmäßig in verschiedenen Amateurspielklassen als Unparteiische im Einsatz. Moritz, der ein duales Studium bei der Polizei absolviert, wird ab der neuen Saison erstmals in der Landesliga pfeifen. FUSSBALL.DE hat mit ihm gesprochen.

Der Verdacht liegt nahe: Haben Sie und Ihre beiden jüngeren Brüder Justus und Malte das Schiedsrichter-Gen von Vater Rüdiger vererbt bekommen, Herr Behrend?

Moritz Behrend: Das kann man so gar nicht sagen, weil mein Vater früher nichts mit Fußball zu tun hatte und erst durch mich Schiedsrichter wurde.

Das müssen Sie uns näher erklären.

Behrend: Im Alter von 14 Jahren hatte ich einen Artikel in der Zeitung entdeckt, in dem stand, dass sich der Fußballkreis Kempen/Krefeld auf der Suche nach neuen Schiedsrichtern befand. Wir wohnen in Krefeld und der Lehrgang fand in Willich statt. Mein Vater fuhr mich dorthin, wollte während des Lehrgangs nicht nach Hause fahren, setzte sich deshalb dazu und hörte sich alles an. Dabei fand er ebenfalls Gefallen daran. Das Ende vom Lied: Wir haben einige Wochen später zusammen die Schiedsrichter-Prüfung erfolgreich abgelegt. (lacht)

Ihre Brüder Justus und Malte folgten später diesem Beispiel. Wann wird denn auch Ihre 17 Jahre alte Schwester Mareike zur Pfeife greifen?

Behrend: Ich fürchte, das wird nichts. (lacht) Mareike hat früher Leichtathletik betrieben und Volleyball gespielt. Mit Fußball hat sie gar nichts am Hut.

Sie waren zunächst auch als Fußballer für Preußen Krefeld am Ball. Warum haben Sie sich für die Schiedsrichter-Laufbahn entschieden?

Behrend: Ich habe für den Verein als Rechtsverteidiger mit wenig Erfolg von der F- bis zur A-Jugend in der Kreisklasse gespielt. Um ehrlich zu sein: Der talentierteste Spieler war ich nicht. Außerdem stand damals in dem Zeitungsartikel, dass man mit einem Schiedsrichterausweis überall kostenlos ins Stadion kommt. Das war für mich als Jugendlicher schon attraktiv.

Das Thema Fußball spielt im Hause Behrend während der EM sicherlich auch eine große Rolle. Wie kann man sich die Gespräche bei strittigen Schiedsrichter-Entscheidungen bei Ihnen vorstellen?

Behrend: Wir verfolgen die EM-Partien mit großer Begeisterung. Aber nicht die Leistungen der Schiedsrichter, sondern die Spiele an sich stehen bei uns im Vordergrund. Klar wird bei strittigen Situationen auch mal diskutiert. Meistens ist es dann auch so, dass meine Meinung innerhalb der Familie gefragt ist. Aber spätestens durch den Video-Assistenten werden in den meisten Fällen ja ohnehin alle "Unklarheiten" schnell beseitigt.

Ist die Schiedsrichter-Familie Behrend im Umkreis schon sehr bekannt?

Behrend: Unser Bekanntheitsgrad hat in Krefeld tatsächlich zugenommen. Als ich 2015 auf den Sportplatz ging, hat mich keiner erkannt. Jetzt sieht das schon ein wenig anders aus.

Kommt es schon mal vor, dass die Familie als Schiedsrichter-Gespann im Einsatz ist?

Behrend: Meinen Bruder Justus hatte ich bislang dreimal und meinen jüngeren Bruder Malte einmal an der Linie. Bei meinem allerersten Spiel in Krefeld-Fischeln war mein Vater als zweiter Schiedsrichter-Assistent im Einsatz. Eine Partie, die komplett von der Familie Behrend geleitet wurde, gab es indes noch nicht. Wäre mal eine Idee.

Schauen Sie sich die Spiele, die Ihre Brüder leiten, an und geben Sie ihnen Tipps? Unterstützen Sie sich gegenseitig?

Behrend: Die Spiele meiner Brüder sehe ich so gut wie gar nicht, weil sie ja oft gleichzeitig stattfinden. Aber wir unterstützen uns selbstverständlich gegenseitig, tauschen beispielsweise die Schiedsrichter-Kleidung untereinander aus. Außerdem haben wir nur drei Schiedsrichter-Uhren zu Hause, müssen am Wochenende immer abwarten, wer wann im Einsatz ist. Sollten wir alle vier gleichzeitig unterwegs sein, verlässt derjenige, der das vermeintlich unwichtigste Spiel hat, das Haus mit einer Stoppuhr.

Werden Sie auch innerhalb der Familie auf Ihre Leistungen angesprochen? 

Behrend: Ich höre eher auf die Beurteilungen von Schiedsrichter-Beobachtern des Kreises oder des Verbandes, weil meine Familienangehörigen nicht so häufig Spiele von mir sehen. Während der Spiele oder kurz nach dem Abpfiff bekommt man natürlich auch Kritik von Trainern oder Zuschauern zu hören. Das geschieht aber oft aus der Emotion heraus, sodass man dabei nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen sollte.

Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten Schiedsrichter aus?

Behrend: Er muss entscheidungsfreudig und selbstbewusst sein, vor allem immer hinter seinen Entscheidungen stehen. Außerdem muss er regelsicher und läuferisch immer auf der Höhe sein. Eine gute Kommunikation mit den Spielern und den Verantwortlichen der Vereine ist ebenfalls nicht hinderlich. Auch das äußere Erscheinungsbild sollte stimmen.

Moritz Behrend (l.) über seine Ziele: "Ich möchte so 
hoch wie möglich pfeifen."

Haben Sie ein Schiedsrichter-Vorbild?

Behrend: 2019 hatte ich Bundesliga-Schiedsrichter Sascha Stegemann bei einer Schiedsrichterversammlung in Krefeld kennengelernt. Ich fand ihn aufgrund seines Auftretens und seines Vortrags sehr überzeugend.

Sie pfeifen in der neuen Saison erstmals in der Landesliga Niederrhein. Welche Ziele verfolgen Sie mittelfristig?

Behrend: Ich möchte so hoch wie möglich pfeifen. Mir ist bewusst, dass die Luft bis dorthin immer dünner und die Konkurrenz größer wird. Aber einen Schritt höher in die Oberliga traue ich mir durchaus zu.

Welche Reaktionen gibt es während eines Spiels von den Mannschaften und von den Trainerbänken?

Behrend: Bis zu einem gewissen Grad kann man die Rufe ignorieren. Manchmal muss man aber präventiv eingreifen und mit den Leuten ein Wörtchen reden. Meistens habe ich die "Schreihälse" dann doch ganz gut unter Kontrolle. Schwieriger ist es bei Zuschauern, weil man als Schiedsrichter kaum eine Handhabe dagegen hat.

Was war Ihr bislang größtes Erlebnis?

Behrend: Da fällt mir auf Anhieb das Pokalhalbfinale bei den C-Junioren zwischen Bayer Uerdingen und dem KFC Uerdingen 05 in der Saison 2016/2017 ein, das ich im Alter von erst 16 Jahren leiten durfte. Es war ein Flutlichtspiel, mehr als 150 Zuschauer waren auf der Anlage. Das Spiel war dramatisch und ging mit 2:2 nach Verlängerung ins Elfmeterschießen. Ich musste neben fünf Verwarnungen auch zwei Zeitstrafen und einen Feldverweis aussprechen. Dennoch wurde ich von Vertretern beider Vereine für meine Leistung gelobt. Das tat schon gut.

Haben Sie auch schon schlechte Erfahrungen auf dem Fußballplatz gemacht?

Behrend: Wenn schwerere Verletzungen von Spielern vorkommen, ist das nicht so schön. Beleidigungen von Zuschauern kommen schon mal vor, aber körperlich bin ich noch nie angegangen worden. Während meiner bisherigen Laufbahn habe ich erst eine Rote Karte wegen Schiedsrichter-Beleidigung verteilt.

Wie reagieren Sie auf Kritik? Prallt das an Ihnen ab oder nehmen Sie sich das zu Herzen?

Behrend: Früher habe ich mir das mehr zu Herzen genommen. Inzwischen bin ich etwas cooler geworden, kann mit Lob und Tadel von außen viel besser umgehen und beurteilen.

Welchen Einfluss hat die Tätigkeit als Schiedsrichter auf Ihren beruflichen Werdegang und die persönliche Entwicklung?

Behrend: Bei meiner Berufswahl sehe ich gewisse Parallelen. Polizeibeamte und Schiedsrichter müssen dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Außerdem habe ich durch meine Schiedsrichtertätigkeit auch an Selbstbewusstsein gewonnen. 


 


 

Dieser Text ist zuerst am 29. Juni hier auf FUSSBALL.DE erschienen.

 


 

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