Seit fast sieben Jahren ist Michael Kurtz Vorsitzender des Verbandsjugendausschusses im Fußballverband Niederrhein (FVN). Die Corona-Krise stellt auch den Wuppertaler vor bis dahin nicht gekannte Herausforderungen. Im Interview mit FVN.de blickt der Funktionär auf die vergangenen Wochen zurück, schildert einige der Besonderheiten im Jugendbereich und schaut voraus.
Seit Mitte März ruht am Niederrhein der gesamte Spielbetrieb wegen der Corona-Pandemie. Wenn Sie die Zeit einmal Revue passieren lassen. Was ist Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Michael Kurtz: Für mich war es mit das schwerste, keinen Einfluss nehmen zu können. Vor Corona hatten stets die Gremien des FVN darüber entschieden, ob Fußball gespielt wird. Diesmal lag das Heft des Handelns bei der Politik und den Behörden. Niemand wusste zu Beginn außerdem genau, wie lange die Corona-Maßnahmen aufrechterhalten werden mussten. Es galt für uns, Lösungen für ein Problem zu entwickeln, zu dem es keine Pläne in der Schublade gab, die man einfach nur herausholt.
Es gab reichlich Nachfragen, oder?
Kurtz: Das stimmt. Das Interesse von Vereinen, Trainern und Spielern war groß. Wir haben versucht, alle diese Fragen, die uns telefonisch, per Mail oder auf den Social Media-Kanälen des FVN erreicht haben, in dieser schwierigen Lage zu beantworten - und werden das selbstverständlich auch weiterhin tun.
Wie haben Sie speziell die Tage rund um die Verkündung des Ergebnisses der Vereins-Umfrage Mitte Mai erlebt?
Kurtz: Wie gesagt: Die Corona-Pandemie hat die meisten Menschen in diesem Land vor bis dahin unbekannte Probleme gestellt. Glücklicherweise vereinfacht die Technik vieles. Es gab Tage, an denen ich Teilnehmer an zwei bis drei Videokonferenzen war - zusätzlich zu meinem normalen Vollzeit-Job in einem Kreditinstitut. Das war schon sehr intensiv. Aber selbstverständlich hat es auch Spaß gemacht, sich mit den Gremien und den FVN-Vereinen auszutauschen und das Stimmungsbild im Verbandsgebiet bis zum Start der Umfrage mitzubekommen.
Hat Sie das deutliche Votum der Vereine mit rund 93 Prozent für einen Saisonabbruch dann doch ein wenig überrascht?
Kurtz: Diese Tendenz war in den Videokonferenzen mit den Vereinen, in denen ich dabei war, schon zu erkennen. Dem Großteil der Vereine war klar, dass die Saison nicht über den 30. Juni hinaus gehen sollte und dass die Sommerferien fußballfrei bleiben sollten. Dadurch, dass es Aufsteiger aber keine Absteiger geben wird, entsteht den meisten Vereinen auch kein Nachteil.
Welche Schritte müssen nun als nächstes angegangen werden?
Kurtz: Unmittelbar nach dem Ende der Umfrage haben wir eine Videokonferenz des Verbandsjugendausschusses einberufen und als VJA den Beschluss gefasst, dass die Saison - dem Votum der Vereine folgend - abgebrochen werden soll. Einen Tag später haben wir unsere Pläne dem Jugendbeirat vorgestellt. Obwohl in beiden Gremien absolute Einigkeit besteht, muss der Beschluss noch von einem außerordentlichen Verbandsjugendtag legitimiert werden. Eine offene Frage ist, wie die Saison gewertet werden soll. Hier soll es selbstverständlich eine verbandsweite Lösung geben. Das haben wir klar gesagt. Daher wurde eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus dem Verbandsfußballausschuss für den Senioren- und Frauenbereich sowie dem Verbandsjugendausschuss für den Jugendbereich gebildet.
Welche Besonderheiten gibt es im Jugendbereich, die bei der Frage nach der Saisonwertung beachtet werden müssen?
Kurtz: Dass es Aufsteiger aber keine Absteiger geben soll, ist in den Spielklassen mit Qualifikationsspielen so nicht ohne weiteres umsetzbar. Alle Teams in den betreffenden Ligen, die zum Wertungszeitpunkt, der im Fall des Saisonabbruchs gelten wird, auf direkten Abstiegsplätzen stehen, steigen nicht direkt ab, sondern nehmen ebenfalls an den Qualifikationsspielen teil. Wie die anderen Teams, die sich über ihre Tabellenplatzierung ebenfalls für die Qualifikationsspiele qualifiziert haben. Wir wollen und können nicht auf die Qualifikation verzichten, weil bei der Lösung mit nur Aufsteigern die Gefahr besteht, dass zum Beispiel die Niederrheinliga zu sehr aufgebläht wird und an Qualität verliert, weil das Leistungsniveau zu weit auseinanderläuft
Die Qualifikationsspiele in den Ligen, in denen solche Partien vorgesehen sind, sollen unmittelbar vor der Saison 2020/2021 stattfinden. Können Sie Vereine verstehen, die diese Lösung nicht optimal finden?
Kurtz: Das kann ich. Wünschenswerter wäre es, wenn alle Vereine möglichst früh Planungssicherheit hätten. Nur haben wir keine Alternative. Bei einem generellen Aufstiegsrecht würden wir - wie schon erwähnt - die Niederrheinliga aufblähen und das würde zu den beschriebenen Problemen führen.
Gibt es noch weitere Besonderheiten im Jugendbereich zu beachten?
Kurtz: Einige Ligen existieren nur temporär. Bis zum Winter qualifizieren sich beispielsweise die D-Junioren-Mannschaften für die Niederrhein-Spielrunde über den Spielbetrieb in den 13 Kreisen. Nur die 24 besten Mannschaften nehmen dann den Spielbetrieb in dieser Spielrunde bis zum Ende des Spieljahres im Sommer auf. Danach wird die Spielrunde wieder aufgelöst und die Mannschaften kehren in den Spielbetrieb der Kreise zurück. Zu diesem Vorgehen gibt es ebenfalls keine Alternative. Betroffene Vereine, die wieder auf Kreisebene ranmüssen, sollten das daher nicht als Abstieg betrachten.
Ein außerordentlicher Verbandsjugendtag in Zeiten von Corona. Das wird sicher spannend, oder?
Kurtz: Das stimmt. Ich kann mich nicht an einen außerordentlichen Verbandsjugendtag in den vergangenen Jahrzehnten erinnern. Daher gibt es auch hier keine vorbereiteten Pläne. Die Vorarbeiten für eine solche Veranstaltung, die voraussichtlich im Juni stattfindet, werden umfangreich. Auch technisch gilt es, einige Hürden zu überwinden. Wir können uns schließlich nach aktuellem Stand nicht einfach alle in der Sportschule Wedau treffen, weil wir über einen Kreis von rund 100 Personen sprechen. Nach dem außerordentlichen Verbandsjugendtag wird auch noch ein außerordentlicher Verbandstag stattfinden. Danach werden alle Entscheidungen legitimiert sein.
Welche Wünsche haben Sie für die nahe Zukunft?
Kurtz: Dass der Spielbetrieb, so wir ihn kennen, so schnell wie möglich wieder stattfinden kann. Einfach mal wieder unbeschwert und frei von irgendwelchen Auflagen ein Fußballspiel vom Seitenrand aus genießen - das wäre schön.