Für Jil Strüngmann haben kürzlich gleich zwei neue Kapitel in ihrem Leben begonnen. Seit dem 1. November ist die 28-Jährige Lehrerin für Sport und Englisch am Amplonius-Gymnasium in Rheinberg. Außerdem hat sich die ehemalige Bundesliga-Torhüterin der SGS Essen dem SV Budberg angeschlossen. Bei dem Amateurklub aus ihrer Heimatstadt am Niederrhein spielt sie künftig in der zweiten Frauen-Mannschaft und trainiert die Torhüterinnen der U17-Juniorinnen.
Wir haben uns mit ihr über Kicken in der Schule, Bewegungsangebote in Zeiten von Corona und Mädchen, die sie unterrichtet sowie bald auch im Verein trainiert, unterhalten.
Frau Strüngmann, wird bei Ihnen im Sportunterricht nur Fußball gespielt?
Jil Strüngmann: Von wegen! Erstens lässt das der Lehrplan gar nicht zu, außerdem gibt es ja noch viele andere schöne und interessante Sportarten. Natürlich hat das alte Klischee vom Sportunterricht – 'Ball in die Mitte und los geht’s!' – noch nicht komplett ausgedient, viele meine Schülerinnen und Schüler spielen nach wie vor am liebsten Fußball, aber wir machen aber auch noch ganz viele andere Sachen: Tanzen, Parkour, Jumpstyle und so weiter.
Wissen die Kids auch, dass Sie in der Bundesliga gespielt haben?
Strüngmann: Ja, wenn sie meinen Namen googeln, landen sie ja sehr schnell auf meinem Wikipedia-Eintrag und können das da lesen. Einige haben mich dann gefragt, wieso ich überhaupt Lehrerin geworden bin, denn wenn ich in der Bundesliga gespielt habe, müsste ich doch total viel Geld verdient haben (lacht). Ich habe in meinen Kursen aber auch Schülerinnen, die beim SV Budberg in den U 17-Juniorinnen spielen und deren Torwarttrainerin ich nun bin – beziehungsweise ab dann, wenn wir nach dem Lockdown wieder trainieren dürfen.
Kriegen die Budberger Mädels bessere oder schlechtere Noten?
Strüngmann: Weder noch, da mache ich selbstverständlich keinen Unterschied. Dass die Mädels, die im Verein Fußball spielen, sportlich sind, versteht sich ja von selbst. Da wir aber, wie schon erwähnt, auch viele andere Sportarten kennenlernen, spielt das auch nicht so eine große Rolle. Beim Badminton zum Beispiel lernt man sehr schnell, auch wenn man insgesamt vielleicht nicht so sportlich ist.
In der 'Generation Playstation' kommt Bewegung oft zu kurz, gerade in Zeiten von Corona und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen. Wie erleben Sie die Lust der Kinder und Jugendlichen auf Sport?
Strüngmann: Ich kann mich diesem Urteil nicht anschließen, sondern erlebe bisher motivierte Schülerinnen und Schüler, die sich auf den Sportunterricht freuen. Das betrifft längst nicht nur den Fußball, wobei man die Kids damit immer noch am besten locken kann. Für mich wäre es die schönste Bestätigung, wenn mir eine Schülerin oder ein Schüler sagt: 'Frau Strüngmann, durch Sie bin ich zu dem Sport X gekommen und bin jetzt im Verein'.
Hat das Amplonius-Gymnasium im 'Lockdown light' gerade mehr Sport- oder Bewegungsangebote, weil der Vereinssport im Moment verboten ist?
Strüngmann: Uns ist definitiv daran gelegen, den Schülern deutlich zu machen, wie wichtig es gerade in dieser Zeit ist, sich privat zu bewegen. Bereits während des ersten Lockdowns haben wir sie per Video-Chat schwitzen lassen und zum Beispiel verschiedene Home-Workouts durchführen lassen. Außerdem kriegen sie, je nach Klassenstufe und Thema natürlich, auch ein Lauftagebuch, um individuell joggen zu gehen oder Hausaufgaben zur Erarbeitung von Jumpstyle-Schritten mit nach Hause. Mithilfe des Internets und der Online-Plattformen, die wir haben, kann man da recht kreativ werden. Nichts ersetzt aber natürlich das Fußballtraining mit den Freunden oder Freundinnen im Verein!
Helfen Ihnen die Erfahrungen aus der Bundesliga im Sportunterricht?
Strüngmann: Das müssen andere beurteilen, zumindest kann ich sagen, dass Sport ein dankbares Fach ist und ich über den Sport einen guten Zugang zu den Schülerinnen und Schülern habe. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an meinem Alter, ich bin ja nur zehn bis 15 Jahre älter sie. Außerdem kennen sie mich ja schon aus dem Referendariat beziehungsweise aus meiner Zeit als Vertretungslehrerin.
Ist es Ihnen schwer gefallen, die Bundesliga nun hinter sich zu lassen und in den Amateurfußball zu wechseln?
Strüngmann: Gar nicht! Es war ja abzusehen, dass ich im Fußball kürzer treten würde, wenn ich nach meinem Studium ins Referendariat gehen würde. Zeitlich ist das dann nicht mehr mit Bundesliga-Fußball zu vereinbaren und bevor ich jetzt beim SV Budberg angefangen habe, war ich ein Jahr lang gar nicht im Verein. Ich muss allerdings zugeben, dass ich den Fußball vermisst habe. Nur laufen oder ins Fitnessstudio zu gehen, war dann auf Dauer doch nichts für mich.
Wieso haben Sie sich dem SV Budberg angeschlossen?
Strüngmann: Ich komme hier aus dem Dorf und kenne viele Spielerinnen, die beim SV Budberg am Ball sind, schon länger. Daher war es klar, dass ich nach meiner Zeit bei der SGS Essen hier landen würde.
Und warum in der zweiten Mannschaft?
Strüngmann: Weil ich wieder im Feld spielen möchte. Als kleines Kind habe ich doch bei den Jungs des TuS 08 Rheinberg als Stürmerin angefangen, nicht im Tor. Dann kam irgendwann in der D-Jugend der Klassiker: Der Torwart hatte sich den Arm gebrochen und der Trainer sagte: 'Jil, geh du mal ins Tor.' Ich war damals schon relativ groß und dann ist es dabei geblieben. Wenn bei den Frauen I demnächst mal die Keeperin ausfallen sollte, bin ich gerne bereit einzuspringen, aber in erster Linie habe ich Bock zu zocken!
Sie werden zusätzlich noch die Torhüterinnen der B 17-Juniorinnen trainieren. Woher nehmen Sie die Zeit?
Strüngmann: Das wird schon passen, wenn nächstes Jahr wieder Training erlaubt sein wird. Die U 17 und die Frauen II trainieren nacheinander. Ich freue mich schon darauf und kann es kaum abwarten, bis es endlich losgeht.
Wie war es eigentlich damals, mit Ihrem Bruder Jan in einer Mannschaft zu spielen?
Strüngmann: Tatsächlich habe ich da relativ wenig Erinnerungen dran, da wir nur in den Bambini zusammen angefangen haben, ich dann aber immer eine Jugend höher gespielt habe, da ich auch eineinhalb Jahre älter bin. Und trotzdem war man in einem Dorfverein wie in Rheinberg immer zusammen auf dem Sportplatz und hat dann gegenseitig die Spiele angeschaut. Und auch in der Schule haben wir in den Pausen immer gezockt. Die Lieblingsgeschichte meiner Eltern in diesem Zusammenhang ist, dass ich in der dritten Klasse mal den Blitzableiter der Schule hochgeklettert bin, um für mich und 'meine Jungs' den Ball vom Dach zu holen. Das gab mächtig Ärger vom Hausmeister – und meinen Eltern (lacht)!
Dieser Text ist am 30. November zuerst hier auf FUSSBALL.DE veröffentlicht worden.