Frauen-/Mädchenfußball

Da geht noch mehr: Frauen- und Mädchenfußball zentrales Thema beim Amateurfußball-Kongress

Der Zulauf im Frauen- und Mädchenfußball ist weiterhin vergleichsweise mäßig. In Zukunft soll das Potenzial besser ausgeschöpft werden.
25. September 2023 Frauenfußball | GlobalText: FUSSBALL.DE
Da geht noch mehr: Frauen- und Mädchenfußball zentrales Thema beim Amateurfußball-Kongress
Bildquelle: Sebastian Herrschaft

In der Saison 2022/2023 waren rund 2,2 Millionen Aktive in den Landesverbänden des DFB gemeldet, davon allerdings lediglich knapp zehn Prozent in Frauen- und Mädchenteams. Während der Fußball bei Jungen und Männern weiterhin die unangefochtene Nummer eins unter den Sportarten ist, ist der Zulauf bei Mädchen und Frauen zwar wieder steigend, aber dennoch weiterhin vergleichsweise mäßig. Woran liegt das? Und wie kann sich das ändern? Diesen Fragen ist der Amateurfußball-Kongress am DFB-Campus vom 22. bis 24. September nachgegangen.

Die Zahlen lesen sich prima: Der Trend im Frauen- und Mädchenfußball ist in Sachen Mitgliederzahlen positiv. Nach der Rekordsaison 2015/2016, in der rund 205.000 Mädchen und Frauen Fußball gespielt haben und einem darauffolgenden Rückgang gehen die Zahlen seit zwei Jahren wieder näher an den Spitzenwert heran. Das zeigt sich entsprechend in den Landesverbänden: So wurden dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) in der Saison 2022/2023 knapp 17.800 Mädchen bis 16 Jahren in Fußballvereinen gemeldet (nach 15.150 im Vorjahr). Dennoch: Die Zahl von etwa 195.000 Spieler/innen in der Saison 2022/2023 weist auch auf das Potenzial in diesem Bereich hin. 0,46 Prozent der weiblichen Bevölkerung in Deutschland spielen Fußball, bei Jungen und Männern sind es 4,89 Prozent.

Was steht dem größeren Wachstum im Wege? Ein Grund ist, trotz wie erwähnt steigender Mitgliederzahl, die rückläufige Zahl von Amateurteams. In der Saison 2012/2013 waren noch knapp 12.500 Frauen- und Mädchenteams im Spielbetrieb gemeldet, in der vergangenen Saison waren es 9150, das sind fast 25 Prozent weniger. Entsprechend ist es vielen Frauen und Mädchen in bestimmten Bereichen Deutschlands nicht möglich, einen Verein in der Nähe zu finden - was dazu führt, dass sie aufhören oder gar nicht erst anfangen. Anders gesagt: Das Interesse ist da, das Angebot nicht immer.

Mit diesem Problem sah man sich auch in der Stadt Landau in der Pfalz konfrontiert. Lokale Frauen- und Mädchenfußballteams waren rar gesät bis nicht vorhanden. Einer, der das ändern wollte, war Daniele Breveglieri. Er gründete einen neuen Verein für Frauen und Mädchen - die "Südwestgirls". Anfang 2021 begann der Klub, bei dem sich Breveglieri als Sportlicher Leiter und Trainer engagiert, mit lediglich einem Junior/innenteam und einem Dutzend Mädchen, mittlerweile verfügt er über je ein F-, E- C- und B-Junior/innen-Team sowie eine Frauen-Mannschaft. Vor kurzem hat der Verein eine Partnerschaft mit Zweitligist SC Sand verkündet. Neben dem Spielbetrieb haben die Südwestgirls drei Mädchenfußball-AGs ins Leben gerufen. Einen eigenen Fußballplatz hat der Klub bislang nicht, die Teams nutzen für Trainingseinheiten und Spiele Plätze in der Umgebung.

Strukturelle Probleme sind im weiblichem Amateurfußball unübersehbar. In Vereinen, in denen jahrzehntelang nur Männer und Jungen Fußball spielten, müssen Bereitschaft und Überzeugung geweckt werden, Frauen- und Mädchenfußball ins Vereinsangebot aufzunehmen. Dazu gehört im nächsten Schritt, entsprechende Ressourcen und Infrastruktur - sprich Platzkapazitäten - bereitzustellen. Außerdem braucht es Trainer/innen im weiblichen Nachwuchs- und Erwachsenenbereich, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen.

Trainer/innen zu fördern und ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, ist Teil der Strategie des TuS Erbstorf, der den Frauen- und Mädchenfußball im Verein nachhaltig weiterentwickeln möchte. Der Klub aus der niedersächsischen Gemeinde Adendorf verfügt mittlerweile über eine breit aufgestellte Frauen- und Mädchenfußballabteilung, die von den G- bis B-Junior/innen mindestens je zwei Teams sowie eine Frauen-Mannschaft vorweisen kann. Um die jungen Spieler/innen zu fördern, braucht es gut ausgebildete Trainer/innen - das ist Teil des Vereinskonzepts. Erfahrene Übungsleiter/innen geben als Mentor/innen ihr Wissen an junge Coaches weiter. Der TuS Erbstorf ermöglicht die Teilnahme an Trainer/innenlehrgängen, lädt außerdem regelmäßig den Niedersächsischen Fußballverband (NFV) und den DFB zu Trainer/innenfortbildungen ein.

Aus einer Umfrage vom August 2022 geht hervor, dass "Kümmerer/innen", die in dem jeweiligen Verein die Initiative ergreifen, der wichtigste Erfolgsfaktor für die Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs sind. Jemand muss vorangehen, anpacken, begeistern, Mitstreiter/innen finden. Kurz: so sein wie Petra Linder. Die 47-Jährige hat bereits in den 80er-Jahren mit dem Fußballspielen angefangen und ist in ihrem Verein, dem TSV Frommern, nicht nur im Ausschuss und als Jugendleiterin, sondern auch als Trainerin tätig, bei Bedarf schnürt sie auch noch selbst die Fußballschuhe. Vom DFB ist sie als "Amateurin des Jahres 2022" geehrt worden. Sie weiß um die positiven Effekte, die Frauen- und Mädchenteams auf Vereine haben. Eine größere Bereitschaft der Vereine, Frauen und Mädchen zu integrieren, hält sie für "fast zwingend notwendig." Und sie will ein Vorbild für andere Frauen und Mädchen sein, sich zu engagieren. "Ich habe viele junge Spieler/innen und versuche ihnen immer wieder die Bedeutung des Ehrenamts ans Herz zu legen. Zum Fußball gehört so viel mehr, als nur auf dem Platz zu stehen und zu spielen. Das sollen auch meine Spieler/innen lernen und wenn möglich schon im jungen Alter Aufgaben übernehmen", sagt sie.

Abgesehen vom teilweise unzureichenden Angebot von Klubs in der Umgebung gibt es auch den Fall, dass Frauen und Mädchen aus kulturellen oder religiösen Gründen nicht den Weg in die Vereine finden, besonders häufig bei Personen mit familiärer Einwanderungsgeschichte. Tuğba Tekkal hat 2015 mit den SCORING GIRLS* ein Projekt initiiert, das genau diesen Frauen und Mädchen die Chance geben soll, sich im Fußball auszuprobieren. Der Zulauf ist groß. "Beim ersten Training in Köln standen über 15 Mädchen aus unterschiedlichen Nationen auf dem Platz. Mittlerweile erreichen wir mit SCORING GIRLS* über 500 Mädchen und ihre Familien an sieben Standorten in Deutschland und drei im Irak", sagt Tekkal. Die Initiative wende sich an eine Zielgruppe, die sich oft nicht von Sportangeboten angesprochen fühle. "Die Mädchen kennen sich nicht in der Struktur von deutschem Vereinssport aus. Ihre Bedürfnisse sowie Möglichkeiten haben dort oftmals keinen Platz", sagt sie. Bei SCORING GIRLS* werden daher auch die Familien mit eingebunden. "Viele brennen für den Fußball und entwickeln einen riesigen sportlichen Ehrgeiz. Diese Mädchen unterstützen wir auf ihrem Weg. Wir vermitteln sie an Vereine, begleiten sie zu Probetrainings, kümmern uns um die Finanzierung der Vereinsbeiträge, Trainingskleidung und Mannschaftsfahrten", sagt Tekkal.

Der DFB betreibt für die Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs einen hohen Aufwand. Im Dezember 2021 wurde die DFB-Strategie “Frauen im Fußball FF27” verabschiedet, die sich unter anderem das Ziel gesetzt hat, die Anzahl von Frauen und Mädchen im Fußball in den Funktionen Spieler/in, Trainer/in und Schiedsrichter/in bis 2027 um 25 Prozent zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen Mädchen möglichst früh (zwischen fünf und zehn Jahren) für den Fußball gewonnen werden. Trainer/innen für weibliche Mannschaften sollen gefördert, Vereine ge- und bestärkt werden, weibliche Teams und bedarfsgerechte Spielmöglichkeiten zu schaffen. Maßgeblich an der Strategie mitgearbeitet hat die beim DFB als Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball tätige Doris Fitschen. Das Konzept ist für die ehemalige Nationalspielerin ein "klares Zeichen des Aufbruchs. Wir wollen mehr Erfolg haben, mehr Frauen im Fußball, mehr Aktive und Sichtbarkeit", sagt sie. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf bezeichnet den Frauen- und Mädchenfußball als Schwerpunktthema für den DFB: "Beim Thema Weiblichkeit und Diversität ist es wichtig, dass wir vorangehen. Hier wollen wir eine stärkere Sichtbarkeit im DFB und in unseren Gremien haben." Nicht zuletzt ist die Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs einer der drei Schwerpunkte beim diesjährigen Amateurfußball-Kongress (22. bis 24. September) gewesen.

Bereits seit vielen Jahren gibt es den ebenso beliebten wie erfolgreichen "Tag des Mädchenfußballs", einen bundesweiten Aktionstag zur Gewinnung von Mädchen für Vereine. Das gleiche Ziel verfolgt das DFB-Sonderprojekt "Happy Days", in dessen Rahmen während der diesjährigen Frauen-WM Aktionswochen in den Landesverbänden gestartet wurden. Unmittelbar an der Basis setzt eine weitere Initiative für mehr Frauen und Mädchen im Fußball an. Im November 2021 startete das Projekt "DFB-Assist", an dem sich zunächst drei Landesverbände beteiligten. Im Rahmen der Kooperation zwischen dem DFB und den Landesverbänden werden gemeinsame Strategien und Konzepte für den Frauen und Mädchenfußball im Amateurbereich entwickelt und anschließend in den Verbänden und Vereinen umgesetzt. Mittlerweile hat das Projekt den Pilotstatus verlassen und ist in der vollen Umsetzung. Neben den drei Pilotverbänden befinden sich aktuell zwei weitere Landesverbände in der Entwicklung. Das Ziel ist, bis Ende 2025 mit allen 21 Landesverbänden eine eigene Strategie zu erarbeiten.

Im Video-Podcast diskutieren Julia Simic, Ex-Bundesligaspielerin, U 20-Assistenztrainerin bei Eintracht Frankfurt und TV-Expertin, und Henning Peitz, 1. Vorsitzender des Kreisfußballverbandes Westküste im Schleswig-Holsteinischen, über Erfolgsmodelle im Mädchenfußball, die nötige Flexibilität und wichtige Vorbilder in der Nationalmannschaft.

Einer der Pilotverbände des Projekts ist der Schleswig-Holsteinische Fußballverband (SHFV). Anna Klischies, die als Koordinatorin Entwicklung Frauen- und Mädchenfußball für den SHFV tätig ist, sagt: "Bisher haben wir mehrere Schnupperturniere organisiert, wodurch die Vereine eine Menge neue Spieler/innen gewonnen haben. In der Saison 2022/23 wurden 48 Mannschaften der D-Junior/innen gemeldet, in der aktuellen Saison sind wir bei 60. Demnach können wir unser Ziel, in der nächsten Saison wieder eine C-Junior/innen-Liga anzubieten, auf jeden Fall realisieren." Außerdem ist ein Pilotprojekt zur Gewinnung von Trainer/innen geplant. "Dazu werden bei Vereinen Trainingseinheiten angeboten, zu denen potenzielle neue Trainer/innen eingeladen werden und erste Eindrücke erhalten. Wenn sich diese Teilnehmer/innen anschließend für eine Trainer/innenfunktion im Verein melden, können sie sich parallel für ein Stipendium für eine C- oder B-Lizenz bewerben." Der Zuspruch sei groß: "Wir spüren einen enormen Rückenwind von Vereinen, aktiven Spieler/innen und Trainer/innen, die das Konzept mit unterstützen und wachsen lassen wollen, aber auch von denjenigen, die bisher weniger im Fußballbereich unterwegs waren - beispielsweise von Sponsoren", sagt Klischies.

Die Ziele der SHFV-Strategie formuliert sie so: "Wir wollen uns für die Gewinnung neuer junger Spieler/innen bis hin zur Bindung von heranwachsenden und erfahrenen Spieler/innen einsetzen. Im Fokus stehen für uns allerdings nicht nur Spieler/innen - wir müssen die Basis im Ganzen fördern, die Voraussetzungen in allen Bereichen optimieren und wir benötigen mehr Frauen und Mädchen im gesamten Fußball - als Spieler/innen, Trainer/innen, Schiedsrichter/innen, Fans, Funktionär/innen und als Persönlichkeiten auf sowie neben dem Platz. Sehr wesentlich dafür ist, dass wir die Sichtbarkeit des Frauenfußballs erhöhen. Dadurch wollen wir Frauen und Mädchen die Chance geben, ihr Potenzial durch und im Sport zu realisieren." Genau dafür stehe auch der Slogan der Strategie: "Stark am Ball - stark im Leben!"

Sabine Mammitzsch, Vizepräsidentin des DFB und SHFV, hat Zeiten erlebt, in denen der Frauenfußball noch gar keine Lobby in den männerdominierten Klubs hatte: "Als ich in den 80er-Jahren mit dem Fußballspielen im Ligabetrieb angefangen habe, mussten wir um wirklich alles kämpfen: Trainingsanzüge, Bälle, die Platzzeiten für Trainingseinheiten und die finanzielle Unterstützung des Vereins. Das Schlimmste, was ich erlebt habe, war ein Schiedsrichter, der keine Lust hatte, unser Spiel zu pfeifen, - das gab er zuerst wörtlich bekannt und während des Spiels hat er unter anderem ein Tor nicht gegeben, weil er nicht hingeschaut hat, als es gefallen ist." Diese Zeit ist vorbei, eine Menge Potenzial gibt es aber dennoch. An der Erarbeitung der Strategie für den SHFV hat Mammitzsch daher mit großer Überzeugung mitgearbeitet: "Wir haben eine kleine Gruppe gebildet, die aus Vereinsvertretern, den Geschäftsführern, dem Präsidenten, einem Kreisvorsitzenden, der Verbandssportlehrerin Anouschka Bernhard und mir bestand. In dieser Gruppe haben wir mit Nachdruck an gemeinsamen Zielen gearbeitet und es geschafft, dem Präsidium im Herbst letzten Jahres ein fertiges Konzept zu präsentieren, das mit großer Mehrheit verabschiedet wurde", sagt sie.

Seither werden immer neue Ideen eingebracht und diverse Projekte umgesetzt. "Wir treffen uns regelmäßig in Präsenz oder per Videokonferenz, um uns auszutauschen. Alle Beteiligten sind mit viel Elan und Leidenschaft an der Planung und Umsetzung verschiedener Aktionen dabei", sagt Mammitzsch. Die gute Zusammenarbeit trägt bereits Früchte: Für die Frauen-Oberliga in Schleswig-Holstein konnte mit der Fitnessstudiokette "wellyou" ein Sponsor und Namenspartner gefunden werden. Das Beispiel SHFV ist eines, das Schule machen soll, denn es zeigt: Es tut sich was im Frauen- und Mädchenfußball auf Amateurebene, vieles ist in Bewegung; viele Menschen arbeiten mit Kreativität und Leidenschaft an der Entwicklung. Und es ist noch viel mehr möglich.

Darum ging es unter anderem beim Amateurfußball-Kongress, der vom 22. bis 24. September am DFB-Campus in Frankfurt am Main stattgefunden hat. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen für den Frauen- und Mädchenfußball gibt es hier.


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