Tanja Hambloch (49), Jürgen Krämer (57) und Martin Walz (58): Seit Jahresbeginn sind das die drei Club-Berater*innen im Fußballverband Niederrhein (FVN). Sie sind Teil des Pilotprojekts „Club 2024“. Damit möchte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gemeinsam mit seinen 21 Landesverbänden, darunter der FVN, eine ganzheitliche Vereinsentwicklung aufbauen. Im Vordergrund steht stets die Stärkung des Ehrenamts.
Tanja Hambloch verfügt bereits über viel Erfahrung im Ehrenamt. Im Kreis Kempen/Krefeld ist die 49-Jährige aus Meerbusch zuständig für Ehrenamt und Bildung. Bei ihrem Heimatverein FC Adler Nierst war sie unter anderem Jugendleiterin und Trainerin, beim Linner SV außerdem in der Geschäftsführung tätig. Aktuell trainiert Tanja Hambloch die U 17-Mädchen des GSV Moers - und hilft seit einigen Monaten als Club-Beraterin Vereinen im FVN-Verbandsgebiet bei ihren Herausforderungen.
In unserem Interview spricht Tanja Hambloch über ihre nebenberufliche Tätigkeit FVN-Club-Beraterin, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Problemstellungen, ihre Spezialgebiete und die besonderen Herausforderungen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
FVN.de: Der direkte und persönliche Kontakt ist normalerweise der große Trumpf der Club-Berater*innen. Wie gestaltet sich dieser in Zeiten von Corona?
Tanja Hambloch: Aktuell sind Präsenztreffen nicht möglich. Das ist schade, denn es gibt Situationen, in denen das persönliche Gespräch unerlässlich ist. Beratung beruht auf Vertrauen. Dafür muss man ein Verhältnis aufbauen. Und das geht am besten, wenn man sich mal persönlich in die Augen schauen kann. In der Regel merke ich nur dann, ob ich mit meinem Gegenüber auf einer Wellenlänge bin. Einige Vereinsfunktionäre sind schlicht und einfach auch gestresst wegen der vielen Online-Konferenzen in den vergangenen Monaten. Immerhin gibt es aber die Möglichkeit der Video-Konferenz, die wir momentan selbstverständlich nutzen. Angenehmer ist es jedoch immer persönlich.
Sie sind seit knapp fünf Monaten als Club-Beraterin für den FVN tätig. Wie lautet Ihr erstes Zwischenfazit?
Hambloch: Ich glaube, dass die Vereine insgesamt sehr dankbar für das Angebot von Hilfestellungen seitens des Verbandes sind. Manchmal gibt es bei den Vereinen ganz zu Beginn eine gewisse Hemmschwelle, die fällt aber in der Regel nach den ersten Worten schnell. Die Vereine, mit denen ich bisher Kontakt hatte, haben jedenfalls durchweg positiv auf die Kontaktaufnahme reagiert. Die meisten Funktionäre hatten bereits im Rahmen eines Vereinsdialogs Kontakt zum Verband. An dieser Veranstaltung wollten wir anknüpfen und haben Fragen nach dem aktuellen Status sowie nach weiteren Hilfestellungen gestellt.
Ähneln sich in Corona-Zeiten die Herausforderungen der Vereine?
Hambloch: Einige Problemfelder sind sehr individuell, andere ähneln sich. Zum Beispiel möchte der eine Verein einen Komplett-Umbau aller Abteilungen, um sich für die Zukunft aufzustellen. Für den anderen Verein geht es darum, Unterstützung beim Bau eines Kunstrasenplatzes zu erhalten. Viele Vereine eint das Problem, dass sie zu wenige Ehrenamtler und gut ausgebildete Trainer in ihren Reihen haben.
Wenn ein Verein Ihnen ein Problem schildert: Wie gehen Sie bei der Suche nach einer Lösung vor?
Hambloch: Die Vereine haben allesamt unterschiedliche Voraussetzungen. Das liegt schon an der geographischen Lage. Ein Verein in einer ländlichen Region hat in der Regel andere Probleme als ein Verein in einer Großstadt. Einmal pro Woche haben die Club-Berater, also Jürgen Krämer und Martin Walz und ich, mit DFB-Masterplan-Koordinator Aljoscha Franzen und Vereinsberater Jörg Hahn eine Videokonferenz, in der wir uns ausführlich austauschen. Wir alle haben unterschiedliche Spezialgebiete. Wenn eine Problemstellung dann auf dem Tisch liegt, besprechen wir, wer dem betreffenden Verein am besten helfen kann. Es kann auch sein, dass sich phasenweise mehrere Club-Berater um einen Verein kümmern, weil die Herausforderungen so vielschichtig sind.
Ab wann sehen Sie ein Problem grundsätzlich als gelöst an?
Hambloch: Das lässt sich pauschal kaum sagen. Wenn ich einem Verein das DFBnet-Modul ‚Pass Online‘ näherbringe, kann es recht schnell gehen, bis alle Handgriffe sitzen. Der Bau eines Kunstrasenplatzes ist sicher eine länger dauernde Angelegenheit, bis die ersten Spieler den Fuß auf den neuen Untergrund setzen. Ein kompletter Umbau der Vereinsstruktur ist ein Langzeitprojekt, bei dem man zu Beginn kaum absehen kann, ab welchem Zeitpunkt es abgeschlossen ist.
Sie verfügen bereits über jede Menge ehrenamtliche Erfahrung. Inwieweit profitieren Sie davon?
Hambloch: Ich sehe mich von der Basis kommend. Dadurch kenne ich viele Probleme, mit denen Vereine kämpfen. Das ist sicher ein Vorteil. Mein Spezialgebiet ist der Frauen- und Mädchenfußball sowie das junge Ehrenamt. Ich bin der Meinung, dass die Akzeptanz in diesen Bereichen gesteigert werden muss. Unter anderem gilt es, die Ausbildung von Trainern auf Frauen/Mädchen anzupassen. Die Anforderungen sind nun einmal im Vergleich zum Training einer Jungenmannschaft unterschiedlich.
Wie gestaltet sich der Austausch mit den anderen Club-Beratern?
Hambloch: Corona hat eine Kick-Off-Veranstaltung bisher leider verhindert. Trotzdem haben wir alle miteinander eine gute Basis der Zusammenarbeit gefunden. Die regelmäßigen Videokonferenzen sind enorm wertvoll. Die Geschäftsstelle, allen voran unsere Schnittstelle Aljoscha Franzen, ist für uns immer erreichbar.
Wie nehmen Vereine Kontakt zu Ihnen auf?
Hambloch: Der Erstkontakt läuft über Aljoscha Franzen in der Geschäftsstelle. Er bringt uns dann mit den Vereinen zusammen.
Wie hoch ist der zeitliche Aufwand als DFB-Club-Berater, die beim FVN allesamt in Teilzeit angestellt sind?
Hambloch: Wir können uns die Arbeit in unserem zeitlichen Rahmen selbst einteilen. Teilweise ist es auch möglich, die Arbeit zwischen uns Club-Beratern aufzuteilen. Daher ist es momentan kein allzu großes Problem, die Tätigkeit in den Alltag einzubetten.
Ihr Motivationsspruch lautet: „Tradition heißt nicht, Asche zu bewahren, sondern Feuer weiterzugeben.“ Wie füllen Sie den Spruch mit Leben?
Hambloch: Die Tradition darf nicht verloren gehen. Ältere Ehrenamtler haben in der Regel viel Erfahrung und sind daher stets einzubinden. Aber es muss nun einmal auch darum gehen, das Vereinsleben auf jüngere Beine zu stellen. Dafür müssen Vereine die nötigen Strukturen schaffen. Ehrenamtliches Engagement muss zeitlich flexibel möglich sein, damit Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut passen. Dafür müssen vielleicht einige Positionen auf mehrere Schultern verteilt und das Team breiter aufgestellt werden. Den Jugendleiter, der sich allein um 30 Mannschaften kümmert, gibt es dann nicht mehr. Für solch moderne Strukturen müssen wir in einigen Fällen zunächst das Verständnis schaffen.
Interessiert an einer Vereinsberatung?
Hier geht's zum Anmeldeformular
Melden Sie sich zudem bei FVN-Mitarbeiter Aljoscha Franzen: franzen@fvn.de, 0203-7780-203
Weitere Infos gibt es hier auf unserer Themenseite "Vereinsberatung im FVN"