Als der SV Rhenania Hamborn vor rund 20 Jahren kurz vor der Auflösung steht, hat Cafer Kaya eine Idee. Der 1949 gegründete Verein aus dem Duisburger Norden, der mit seinen Stadtteil Marxloh als sozialer Brennpunkt deutschlandweit wie Berlin-Neukölln oder die Dortmunder Nordstadt bekannt ist, muss sich neu orientieren, wenn er überleben will. „Wir haben uns zunächst ein Leitbild gegeben, in dem wir unsere Ziele als ein weltoffener Verein, der sich seiner soziale Verantwortung gegenüber den Menschen in unserer Umgebung bewusst ist, formulieren“, sagt Rhenanias erster Vorsitzender Cafer Kaya.
Er selbst ist kürzlich erst aus Frankfurt am Main, wo er beruflich zu tun hatte, in den Ruhrpott zurückgekehrt und haucht den Hambornern seitdem neues Leben ein. Zunächst wird die vorherige Umbenennung in Rhenania Asya, ein auch nach außen hin deutlich sichtbares Bekenntnis zur Vorherrschaft türkischer Belange im Klub, rückgängig gemacht. „Wir sind politisch und religiös neutral und wollen alle Menschen im dem Duisburger Norden ansprechen“, betont Cafer Kaya. Dann veranstaltet der SV Rhenania Hamborn auf der Anlage an der Warbruckstraße, die er seit 1963 mit anderen Vereinen aus Marxloh und Hamborn nutzt, einen offenen Sporttag. „Wir wollten Familien anlocken, damit sie unseren Verein und unsere Angebote kennenlernen“, berichtet Cafer Kaya.
Es ist ein erster Schritt in die Richtung, in der die Duisburger bis heute viele weitere gesellschaftlich wertvolle unternimmt und dafür inzwischen vom Deutschen Fußball-Bund und vom Deutschen Sportbund mehrfach ausgezeichnet wird. Beispiele gefällig? Im Jahr 2003 nimmt Rhenania Hamborn erstmals am Programm „Integration durch Sport“ des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen teil und wird als erster Sportklub in der Stadt zum Stützpunktverein des LSB NRW ernannt. „Auf diesem Wege haben wir auch weitere öffentliche Gelder erhalten, um neue Programme anbieten zu können – zum Beispiel Wochenendfahrten für Familien oder Ferienprogramme für Kinder“, verrät Cafer Kaya.
Zwei Jahre später startet Rhenania Hamborn eine Zusammenarbeit mit den Kitas an der Kiebitzmühlenstraße in Marxloh und an der Kampstraße in Hamborn. Gemeinsam setzen sie sich für mehr Bewegung ab dem Kindergartenalter ein und erhalten dafür die Qualitätssiegel „Anerkannter Bewegungskindergarten“ und „Kinderfreundlicher Sportverein“ des Landessportbundes NRW. Mit gemeinsamen Veranstaltungen auf der Sportanlage an der Warbruckstraße, wie zum Beispiel der jährlich stattfindenden Sportolympiade oder bunten Familienfesten, leben Sportverein und Kindertageseinrichtungen ihre Zusammenarbeit.
2006 folgt eine weitere große Ehrung für ihn und seine Mitstreiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel lädt die engagierten Hamborner nach Berlin ein, die deutsche Regierungschefin will wissen, was Cafer Kaya und Co. da im Westen der Republik so machen. Eine Menge! Als der DFB das Forschungsprojekt „Soziale Integration für Mädchen durch Fußball“ auflegt, sind die Hamborner wieder zur Stelle. Das Programm leitet Professor Dr. Ulf Gebken von der Universität Oldenburg.
Er kommt aus Duisburg und hat daher großes Interesse an der Arbeit in seiner Heimat. Der SV Rhenania startet eine Kooperation mit der „Grundschule Kunterbunt“ in Hamborn, organisiert Mädchenfußball-AG's an der Schule und richtet auf der Sportanlage Fußballturniere für die Schule aus. Daraus entsteht nicht nur die erste Mädchenmannschaft im Verein, sondern fußballbegeisterte Schülerinnen werden unter Anleitung von Rhenania-Trainern zu Schulsport-Assistentinnen ausgebildet. Seit 2007 bietet der Verein außerdem auf seiner Anlage Hausaufgabenhilfe an und wird dabei finanziell vom „Lions Club Duisburg-Mercator“ unterstützt.
Später kommt die Herbert-Grillo-Gesamtschule aus Marxloh als weitere Partnerschule hinzu. Auch hier geht es darum, den Nachwuchs in Bewegung zu bringen, zum Beispiel in Form einer Fußball-AG. „Dass wir so auch immer neue Nachwuchsspieler an den Verein binden können, ist klar“, nickt Cafer Kaya.
Ein anderes schönes Projekt sorgt dafür, dass Kids in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden. Im Jahr 2011 ist ein Zirkus in der Stadt – und die Hamborner sind wieder mittendrin. Über 100 kleine Kinder dürfen beim Mitmachzirkus Clown spielen oder mit den Artisten üben. Von der Abschlussveranstaltung auf der Sportanlage Warbruckstraße, bei der die Kids die frisch erlernten Künste ihren Eltern und anderen Familienangehörigen präsentieren, schwärmen sie noch heute in Hamborn und Marxloh.
„Wir schaffen das!“, sagt Kanzlerin Angela Merkel 2015, als tausende Menschen vor dem Krieg in ihrer Heimat Syrien, Irak, Afghanistan oder verschiedenen Ländern Afrikas fliehen und nach Deutschland kommen. „Wir sind dabei und helfen“, sagen die engagierten Hamborner – und bieten wie selbstverständlich auch den Neuankömmlingen aus aller Welt einen möglichst guten Start in der völlig neuen Umgebung. „Willkommen im Sport“ heißt es im Rahmen einer erneuten Kooperation mit dem Landessportbund NRW, in der Rhenania ein Sprach- und Sportangebot für 15 geflüchtete Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren initiiert.
Ähnlich ist das Angebot in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen, die das Programm „SPUR – Spielen, Bewegen und Sprechen mit jungen Flüchtlingen“ auflegt. Rhenania Hamborn ist einer von vier Partnervereinen der UDE und richtet für 20 geflüchtete Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren eine Sport-AG aus. Seit 2016 kicken einige Syrer, Iraker, Eritreer und Gambier begeistert für den Klub. Stellvertretend für das Engagement des Vereins wird der erste Vorsitzende Cafer Kaya im Jahr 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet – unterschrieben vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Die gelebte Weltoffenheit des Vereins mit seinen etwa 480 Mitgliedern aus über 30 Nationen hat auch seine Schattenseiten. Auf dem Fußballplatz erleben sie den in der Gesellschaft wieder allgegenwärtigen Rassismus, müssen Beleidigungen wegen ihres Aussehens oder ihrer Hautfarbe einstecken. Um Diskriminierungen vehement zu bekämpfen, sind die Hamborner eine Kooperation mit dem Antirassismus-Verein Aric-NRW eingegangen. „Ich habe ja früher selber gekickt und war gleichzeitig auch Jugendtrainer. Da musste ich mir häufig diskriminierende Sprüche anhören“, berichtet Mikail Gülcü. „Irgendwann habe ich gesagt: Es ist genug, es muss etwas getan werden!“
Der zweite Vorsitzende des SV Rhenania will vor allem Kinder und Jugendliche im Umgang mit Rassismus sensibilisieren und stärken. Nach einer gemeinsamen Infoveranstaltung zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz vor zwei Jahren fragte er beim Anti-Rassismus-Informations-Centrum mit Sitz in Duisburg, ob man einer Zusammenarbeit aufgeschlossen sei. Eigentlich sollte diese schon starten, aber wegen Corona wurden geplante Workshops oder Seminare erst einmal verschoben. Sobald sich die Infektionslage entspannt, sollen nach dem Motto „Train the trainer“ zunächst die Übungsleiter von Rhenania Hamborn in Sachen Umgang mit Diskriminierungen geschult werden. Die Kooperation ist zunächst auf ein Jahr ausgelegt, Fortsetzung gewünscht.
Im Duisburger Norden ist Rhenania Hamborn allerdings in seinem sozialen Engagement längst nicht allein. Die ebenfalls auf der Sportanlage an der Warbruckstraße beheimateten Nachbarvereine Gelb-Weiß Hamborn, Union Hamborn und FSV Duisburg sind ebenfalls gesellschaftlichen mit verschiedensten Aktionen am Ball. „Sobald es möglich ist, wollen wir mit allen vier Vereinen durch die Straßen laufen und mit bunten Schirmen für die Vielfalt hier demonstrieren“, kündigt Cafer Kaya an.
Derweil hat der umtriebige Rhenania-Vorsitzende schon das nächste Projekt in Angriff genommen. In Zusammenarbeit mit der örtlichen Kreishandwerkskammer möchte Rhenania Hamborn geflüchteten Menschen einen besseren Jobzugang ermöglichen. Gespräche über die Bereitstellung von Praktikumsplätzen sowie die Ausrichtung einer kleinen Ausbildungsmesse auf der Sportanlage haben bereits stattgefunden. Dabei soll es auch individuell abgestimmten Sprachunterricht geben.
Im Zuge des Ausbaus der Sportanlage an der Warbruckstraße, wo zwei Ascheplätze in Kunstrasen umgewandelt und zusätzlich eine Kleinspielfeld mit Kunstrasen gebaut werden sollen, erhält der SVR aus EU-Mitteln nun eine Begegnungsstätte mit Schulungsräumen. Die Fertigstellung ist für August angepeilt. In dem Gebäude sollen dann soziale Aktivitäten und die Hausaufgabenhilfe, die bisher in einem Container stattfinden, angeboten werden. Dort, aber auch jetzt schon in Form von Hilfsarbeiten für den Platzwart, können sich dann zum Beispiel auch Jugendliche einbringen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind und daher Sozialstunden ableisten müssen.
Interessierte Vereine können gerne Kontakt zum SV Rhenania Hamborn aufnehmen:
kontakt@rhenania-hamborn.de
Dieser Text ist am 2. Februar zuerst hier auf FUSSBALL.DE veröffentlicht worden.