Und dann meldete sich Uli Hoeneß. Der Ehrenpräsident des FC Bayern München schickte eine Videobotschaft. Darin: Eine Verneigung vor der Leistung des Klubs aus Essen. „Liebe Freunde von den Adlern aus Frintrop, ich gratuliere Euch sehr herzlich zum Aufstieg in die Oberliga Niederrhein. Ich habe gehört, Ihr habt einen Durchmarsch gemacht von der Bezirksliga in die Oberliga, das ist ja etwas ganz Besonderes, und das ganz praktisch ohne zu verlieren - mehr oder weniger. Das wünsche ich dem FC Bayern auch für den Rest der Saison. Ich wünsche Euch alles Gute und gratuliere recht herzlich zum Aufstieg!“
29 Sekunden dauert der Clip, er ist vom 14. Mai, und das dramatische Saisonende in der Bundesliga lag noch vor dem deutschen Rekordmeister. Während die Frintroper schon feierten, zitterte sich der FC Bayern zur Schale. Der Freude über den prominenten Gruß aus dem Süden tat das im Essener Westen allerdings keinen Abbruch, auch wenn im Team der Adler auch einige Fans von Borussia Dortmund kicken.
Warum sich die Münchner Legende Uli Hoeneß plötzlich mit dem Amateurfußball im Ruhrgebiet beschäftigt, ist Hansi Wüst zu verdanken. Der Sportlicher Leiter der Frintroper war seit den 1990er Jahren in einem Fanshop des FC Bayern in Oberhausen beschäftigt. In dieser Zeit kam er auch mit dem damaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß in Kontakt. „Dann haben wir im Frühjahr telefoniert - und da habe ich ihm die Situation mit Adler Union Frintrop geschildert“, berichtet Hansi Wüst. Und weiter: „Direkt nach dem Aufstieg habe ich ihm geschrieben und er antwortete, dass er sich was einfallen lässt. Uli ist ein toller Mensch, auf den man immer zählen kann."
Etwas einfallen lassen haben sich die Grün-Weißen auch bei ihrer Premiere in der Oberliga Niederrhein - und zwar eine kleine Sensation. Vor fast 700 Zuschauern am Wasserturm fuhr das Team um Kapitän Jonas Rübertus im ersten Spiel gleich den ersten Dreier ein - und zwar gegen keinen geringeren Gegner als den aktuellen Vizemeister VfB Hilden 03 (3:2). „Das war schon eine sehr große Überraschung, schließlich sind wir, zumindest von den finanziellen Verhältnissen her, der absolute Underdog in der Liga“, erzählt Trainer Marcel Cornelissen.
Der 35-Jährige war im November 2019 vom BV Rentfort, Heimatverein von Weltmeister Julian Draxler, zur DJK gewechselt und hat den Weg der Frintroper von siebten bis in die fünfte Spielklasse maßgeblich mitgestaltet. „Bei uns hätte doch vor nicht allzu langer Zeit niemand gedacht, dass wir mal in der Oberliga landen würden. Das kommt uns fast unwirklich vor, dass wir jetzt gegen die Essener Lokalrivalen Schonnebeck und ETB oder gegen einen ehemaligen Bundesligisten wie den KFC Uerdingen spielen“, betont Marcel Cornelissen und führt aus: „Bei uns erhält kein Spieler monatlich ein festes Gehalt, sondern es gibt nur Prämien. Von den elf Spielern, die gegen Hilden angefangen haben, waren acht vor zwei Jahren noch in der Bezirksliga am Ball.“
Mit kleinen Mitteln auf dem Platz Großes erreichen - so in etwas könnte das Motto bei Adler Union Frintrop umschrieben werden. Der Kader wurde nicht groß verändert, und bei den Neuzugängen mussten Hansi Wüst und Marcel Cornelissen mit anderen Argumenten als mit Geld überzeugen. „Wir können keine Spieler holen, die schon einen Haufen Oberligaspiele absolviert haben“, macht der Coach deutlich.
Insgesamt ist der Verein noch nicht so gewachsen, wie es der steile Weg der ersten Mannschaft nach oben vermuten lassen könnte. Die Infrastruktur am Wasserturm ist in Ordnung, die Anlage verfügt über zwei Kunstrasenplätze und auch das Vereinsheim kann sich sehen lassen. Der sportliche Unterbau zur „Ersten“ aber fehlt, die Reserve ist nur knapp dem Abstieg aus der Kreisliga A entgangen und die A-Junioren kicken lediglich in der Leistungsklasse. „Da müssen wir uns insgesamt verbessern“, nickt Marcel Cornelissen.
Oft ist es so, dass ein Aufsteiger, der sogar gleich zwei Klassen nach oben gesprungen ist, von der Euphorie lebt und so zumindest am Anfang einer Saison gegen die vermeintlich stärkere Konkurrenz mithalten kann. Die Frintroper allerdings hatten die Generalprobe vor dem Meisterschaftsstart so gründlich vergeigt, dass der Dreier gegen Hilden umso höher zu bewerten ist. „Wir haben das letzte Testspiel mit 1:6 gegen Concordia Wiemelhausen verloren“, so Marcel Cornelissen.
Nun gut, lieber die Generalprobe vermasseln als den Premierenabend. Den hatten die Emporkömmlinge extra auf Freitagabend vorverlegt, damit möglichst viele Fans dabei sein können. Am Sonntag hatte schließlich Rot-Weiss Essen im DFB-Pokal den Hamburger SV (3:4 nach Verlängerung) zu Gast - und gegen eine ausverkaufte Hafenstraße wollten die Frintroper lieber nicht konkurrieren. Gegen Hilden passte dann plötzlich alles, nicht nur der äußere Rahmen. „Unser Sieg war ja nicht etwa glücklich, sondern verdient. Jetzt wollen wir in den nächsten Wochen so weitermachen, auch wenn uns klar ist, dass auch Rückschläge kommen werden“, weiß der Coach.
Das Ziel der DJK Adler Union ist der Klassenverbleib, dafür sind die ersten - völlig unerwarteten - drei Punkte ein perfekter Anfang. Denn so überraschend der Durchmarsch auch kam, zu den besten Adressen im Essener Fußball zu gehören und plötzlich in der Oberliga mitzumischen – daran wollen sie sich in Frintrop gerne gewöhnen. „Wir werden versuchen, den ‚Betriebsunfall‘ in einen Dauerzustand zu verwandeln“, kündigt Trainer Marcel Cornelissen mit einem Lächeln an.
Und wer weiß, vielleicht meldet sich ja auch Uli Hoeneß bald mal wieder aus dem fernen München.