Gut vier Monate nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte hat auch das "Abenteuer" in der Oberliga Niederrhein für den VfL Viktoria Jüchen-Garzweiler äußerst erfreulich begonnen. Nach sieben Spieltagen ist das Team von Trainer Daniel Klinger als Liganeuling überraschend Tabellenfünfter. Die erste Niederlage gab es erst am vergangenen Spieltag bei der knappen 0:1-Auswärtsniederlage beim Spitzenreiter Ratingen 04/19.
"Damit haben wir nicht gerechnet, aber die Jungs befinden sich aktuell einfach in einem Flow", sagt Aufstiegstrainer Klinger gegenüber FUSSBALL.DE. "Deshalb drehen wir jetzt aber nicht durch. Es ist für unseren kleinen Verein schon eine ganz große Sache, dass wir überhaupt erstmals in der Oberliga dabei sind", sagt der gebürtige Mönchengladbacher, der seit dem Sommer 2023 im Verein ist - zunächst als spielender Co-Trainer von Marcel Winkens, seit April dann als sein Nachfolger als Cheftrainer. Schließlich hatte der Klub noch bis 2023 in der Bezirksliga gekickt.

Heimsieg mit acht Spielern auf dem Feld
In der fünfthöchsten deutschen Spielklasse sprangen für den Klub aus der Gemeinde Garzweiler, die vor allem durch den Braunkohletagebau weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt wurde, bislang drei Siege, drei Unentschieden und eine Niederlage heraus. Dabei sorgte der VfL Viktoria vor allem am zurückliegenden Spieltag für Schlagzeilen. Beim 3:2-Heimerfolg gegen den VfB 03 Hilden standen nämlich nur noch acht Spieler der Gastgeber auf dem Spielfeld.
Besonders bemerkenswert: Obwohl Nils Friebe (Rote Karte/87.) und wenig später auch sein Teamkollege Dragan Kalkan (Gelb-Rot/90.) beim Stand von 2:1 vorzeitig unter die Dusche geschickt wurden, stellten nur noch neun Jüchener durch Justin Francis (90.+2) den Zwei-Tore-Vorsprung wieder her. "Das war ein blitzsauberer Konter gegen einen komplett aufgerückten Gegner", beschreibt Trainer Daniel Klinger: "Justin lief einsam und alleine auf das gegnerische Tor zu - fast wie bei einem Penalty im Eishockey."
Nach einer weiteren Roten Karte gegen Jüchens Benjamin Schütz (90.+5) konnten die Gäste zwar durch einen verwandelten Foulelfmeter noch zum 3:2 verkürzen. Zum Ausgleich reichte es aber auch mit drei Spielern mehr auf dem Platz nicht mehr. Dass die Moral beim Jüchen-Garzweiler stimmt, dafür war das Hilden-Spiel der beste Beweis.
Tim Heubach spielte in Israel und Malaysia
Trotz der beiden Gegentreffer gegen Hilden ist die Hintermannschaft das Prunkstück des VfL Jüchen-Garzweiler, der insgesamt erst fünf Tore seiner Gegner zugelassen hat. Daran hat der wohl bekannteste Spieler im Aufgebot, Innenverteidiger und Kapitän Tim Heubach, entscheidenden Anteil. Der inzwischen 37 Jahre alte Ex-Profi war nach seiner Ausbildung bei Borussia Mönchengladbach einst für den FSV Frankfurt und den 1. FC Kaiserslautern in der 2. Bundesliga am Ball (91 Einsätze). Später kickte der gebürtige Neusser sogar in Israel (Maccabi Netanya) und Malaysia (Selangor FC), ehe er sich im Januar 2022 in seiner Heimat dem VfL Viktoria Jüchen-Garzweiler anschloss.
"Tim ist nach wie vor topfit und ein Eckpfeiler unserer Mannschaft", lobt Trainer Klinger, der früher selbst auch im Nachwuchs von Borussia Mönchengladbach, Alemannia Aachen und des VfL Bochum gekickt hatte. Mit Bochum wurde er 2005 sogar deutscher A-Junioren-Vizemeister und absolvierte später in Westfalen, am Niederrhein und Mittelrhein insgesamt mehr als 200 Oberligapartien.
Patrick Koronkiewicz stößt bald zum Kader
Aber auch eine ganze Reihe weiterer Spieler war schon in der 5. Liga oder sogar noch höherklassig aktiv. Dazu gehören etwa Torhüter Björn Nowicki (33), der sogar schon mehr als 300 Spiele in der Oberliga Niederrhein bestritten hat, oder auch die Mittelfeldspieler Sebastian Wilms (33) und Tobias Lippold (31), die beide schon Erfahrungen in der Regionalliga sammeln konnten.

Schon bald wird mit Außenverteidiger Patrick Koronkiewicz (34), der allein elf Jahre beim FC Viktoria Köln gespielt hatte, auch noch ein langjähriger Drittligaprofi zum Team stoßen. Aktuell befindet sich der gebürtige Bonner noch aus privaten Gründen bei seiner Familie in Polen, wird aber demnächst das Training in Jüchen-Garzweiler aufnehmen.
Trotz dieser weiteren prominenten Neuverpflichtung denkt Trainer Daniel Klinger aber noch längst nicht daran, das formulierte Ziel Klassenverbleib für die erste Oberligasaison nach oben zu korrigieren. "Wir wissen, woher wir kommen", so Klinger. "Wir werden auch mal zwei oder drei Spiele in Folge verlieren. Dann gilt es, auch solche Rückschläge wegzustecken."
Kein Gedanke an möglichen Aufstieg
An einen möglichen Aufstieg in die Regionalliga West werden erst recht gar keine Gedanken verschwendet. "Dafür ist unser Verein aktuell gar nicht aufgestellt", betont Klinger: "Was die Infrastruktur angeht, sind wir von den Rahmenbedingungen eines Viertligisten aktuell noch ganz weit entfernt."
Vor etwas mehr als einem Jahr kamen zwar mal rund 1.800 Fans zum Testspiel gegen den benachbarten Bundesligisten Borussia Mönchengladbach (1:5) auf den Rasenplatz der Bezirkssportanlage Jüchen. In der Regel liegt der Schnitt aber bei etwa 300 Zuschauer/innen pro Heimspiel. Bauliche Voraussetzungen, um die Anforderungen für die 4. Liga zu erfüllen, sind kaum vorhanden. Selbst in der gesamten Kreisstadt Neuss gibt es keine regionalligataugliche Spielstätte.
"Wir tun gut daran, uns nicht mit solchen Fantasien zu beschäftigen, sondern möglichst weiterhin konstant Punkte zu sammeln, um uns in der Oberliga zu behaupten", gibt Trainer Klinger die Marschroute vor. Daran halten sich seine Spieler bislang.
Autor: Ralf Debat/mspw
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Dieser Text ist zuerst auf FUSSBALL.DE erschienen und wurde aktualisiert.