Die Antwort kommt so spontan wie eine Direktabnahme vor dem gegnerischen Tor. "Tatsächlich sind mir schon einmal fünf Tore in einer Partie gelungen", sagt Jolina Opladen vom VfR Schwarz-Weiß Warbeyen 1945 aus der Frauen-Regionalliga West im Gespräch mit FUSSBALL.DE. "Das war in einem Spiel gegen den FV Mönchengladbach. Weil es etwas Außergewöhnliches für mich war, kann ich mich noch gut daran erinnern." In der Tat! Im Endspurt ihrer Premierensaison in Warbeyen hatte die 25 Jahre alte Offensivspielerin im Mai 2023 fünf Treffer zum 8:0 in Mönchengladbach beigesteuert.
Dieses seltene Kunststück wiederholte die frühere Junioren-Nationalspielerin jetzt beim 10:0-Kantersieg gegen Alemannia Aachen, mit dem der kleine Klub aus dem niederrheinischen Kleve in der dritthöchsten deutschen Spielklasse an die Tabellenspitze stürmte. Nach fünf Spieltagen stehen für den VfR Warbeyen zwölf von 15 möglichen Punkten und 19:4 Tore zu Buche.
Daran hat Jolina Opladen nicht unerheblichen Anteil. Dank ihres Fünferpacks, den sie mit einem lupenreinen Hattrick in den ersten zwölf Minuten eingeleitet hatte, führt sie mit insgesamt acht Saisontreffern nach fünf Partien die Torjägerinnenliste in der West-Staffel an und kletterte in der bundesweiten Wertung zur Torjägerkanone für alle in der 3. Liga auf den zweiten Platz hinter Elfie Wellhausen von Hertha BSC, die in der Regionalliga Nordost bislang sogar schon neunmal erfolgreich war.
Dabei ist Opladen eigentlich gar keine Stürmerin, sondern wurde im Nachwuchs als Mittelfeldspielerin ausgebildet. "Aktuell spiele ich aber etwas weiter vorne, was unter anderem auch daran liegt, dass uns mit Julia Hülsken eine wichtige Spielerin wegen eines Kreuzbandrisses fehlt", erklärt die Fünferpackerin, die seit Sommer 2022 für den VfR Warbeyen am Ball ist und sich dort ausgesprochen wohl fühlt.
"Wir funktionieren als Team einfach gut, zumal wir schon seit einigen Jahren zusammenspielen", beschreibt sie. "Wir sind vielleicht spielerisch nicht immer die beste Mannschaft. Dafür läuft aber jede für jede. Keine ist sich zu schade, Extrameter für das Team zu machen. Außerdem sind wir immer in der Lage, nach Rückständen und Rückschlägen schnell wieder zurückzukommen."
Mit dem Fußball hatte Jolina Opladen bei ihrem Heimatverein VfL Rhede begonnen, spielte viele Jahre als einziges Mädchen in den Juniorenteams des Klubs. Das Talent blieb nicht lange verborgen. Über die Niederrheinauswahl (unter anderem zusammen mit Bayern Münchens Nationalstürmerin Lea Schüller) gelang der Sprung in die DFB-Auswahl. Für die deutsche U 16- und U 17-Nationalmannschaft bestritt Opladen, die schon als 15-Jährige mit einer Ausnahmegenehmigung für das Frauenteam des Bocholter Klubs DJK Barlo in der Landesliga am Ball war, insgesamt zehn Länderspiele, die allesamt gewonnen wurden.
Während jedoch ihre früheren Mitspielerinnen wie Giulia Gwinn, Klara Bühl, Sydney Lohmann (ebenfalls alle FC Bayern München), Janina Minge, Sarai Linder (beide VfL Wolfsburg) oder Sophia Kleinherne (Eintracht Frankfurt) im Fußball Karriere machten und sogar den Sprung in die Frauen-Nationalmannschaft schafften (diese tritt am 28. Oktober in Duisburg gegen Australien an), entschied sich Jolina Opladen nur wenig später aus freien Stücken gegen den Profisport.
Die Folge: Nicht nur mehrere Frauen-Bundesligaklubs, sondern auch Interessenten aus dem Nachbarland Niederlande "blitzten" bei Jolina Opladen und ihrer Familie ab. Auch eine weitere Einladung des DFB nahm sie nicht mehr wahr. "Ich stand damals kurz vor dem Abitur und wollte mich lieber auf meine berufliche Karriere konzentrieren", beschreibt sie. "Ich habe mich ganz bewusst für den sichereren Weg entschieden."
Obwohl oder sogar gerade, weil ihre früheren Teamkolleginnen heute sehr stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, bereut Jolina Opladen ihre damalige Entscheidung nicht. Ganz im Gegenteil. "Ich bin absolut zufrieden, wie es gelaufen ist, und fühle mich sehr wohl dabei."
Geblieben ist allerdings ihr großer Ehrgeiz, der sie nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch beruflich auszeichnet. Nur wenige Jahre nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau ist Jolina Opladen bei einem Kreditinstitut im münsterländischen Dülmen zur Personalreferentin aufgestiegen. Um für mögliche höhere Aufgaben noch besser gerüstet zu sein, absolviert sie auch noch ein Fernstudium in Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Personalwesen an der Internationalen Hochschule mit Sitz in Bad Honnef.
"Manchmal werde ich schon gefragt, ob mein Tag mehr als 24 Stunden hat", verrät sie mit einem Grinsen. Schließlich ist auch der Aufwand, den sie für den Fußball betreibt, nach wie vor enorm. Vom Arbeitsplatz in Dülmen sind es rund 100 Minuten Fahrzeit bis zum Training in Kleve, von dort auch noch einmal eine Stunde bis nach Borken, wo sie inzwischen mit ihrem Freund Daniel lebt, ebenfalls Bankkaufmann und (Ex-)Fußballer. "Es ist schon sehr stressig. Aber der Fußball bereitet mir immer noch so viel Freude, dass sich der Aufwand lohnt", so Jolina Opladen: "Dabei ist es mir schon wichtig, möglichst hochklassig zu spielen."
Nicht ausgeschlossen, dass es sogar noch einmal eine Liga nach oben geht. Schon mit ihrem vorherigen Verein Borussia Bocholt war die torgefährliche Offensivspielerin in der 2. Frauen-Bundesliga am Ball. Jetzt ist auch der Aufstieg mit dem VfR Warbeyen zumindest keine Utopie mehr. "Wir wollen schon unter den besten drei Teams der Liga mitmischen", formuliert Jolina Opladen, die Arminia Bielefeld und Fortuna Köln zu den stärksten Konkurrenten zählt.
Klar ist: Für den Dorfverein - Warbeyen hat knapp 800 Einwohner/innen - wäre der erstmalige Sprung in die zweithöchste deutsche Spielklasse definitiv eine Sensation, auch wenn der Kader schon jetzt mit einigen bekannten Spielerinnen bestückt ist. So gehören mit Pauline und Jule Dallmann, den beiden jüngeren Zwillingsschwestern von Bayern Münchens Mittelfeldspielerin Linda Dallmann, zwei weitere frühere Bundesliga- und Junioren-Nationalspielerinnen zum Aufgebot von Trainer Sandro Scuderi.
Dazu gibt es in dieser Saison noch eine Besonderheit: Weil die Google Pixel Frauen-Bundesliga zur kommenden Spielzeit von zwölf auf 14 Vereine aufgestockt wird und deshalb in der 2. Frauen-Bundesliga ebenfalls zwei zusätzliche Plätze frei werden, muss der Meister der Frauen-Regionalliga West diesmal keine Aufstiegsspiele gegen den Südwest-Staffelsieger bestreiten, sondern schafft direkt den Sprung in die Zweitklassigkeit.
"Das ist natürlich auch für uns eine Riesenchance, zumal es für viele Spielerinnen das erste Mal wäre", betont Jolina Opladen, fügt jedoch gleich hinzu: "Dafür benötigen wir eine perfekte Saison, dafür müsste alles passen. Versuchen werden wir es auf jeden Fall."
Dieser Text ist zuerst am 26. September auf FUSSBALL.DE erschienen.