Soziales

Herford gewinnt Sepp-Herberger-Pokal in der JVA Wuppertal-Ronsdorf

Sieg im Finale des von der DFB-Stiftung Sepp Herberger mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit und des FVN ausgerichteten Turniers.
4. Oktober 2021 Allgemein | GlobalText: DFB-Stiftung Sepp Herberger/FVN, Fotos: DFB-Stiftung Sepp Herberger/Carsten Kobow
Herford gewinnt Sepp-Herberger-Pokal in der JVA Wuppertal-Ronsdorf
Bildquelle: DFB-Stiftung Sepp Herberger/Carsten Kobow
Die siegreiche Mannschaft der JVA Herford. Rechts: FVN-Präsidiumsmitglied Edgar Borgmann.

Es war kurz nach 16 Uhr am Samstagnachmittag, 2. Oktober, als ein langgezogenes „Ja“ und lauter Jubel über den Sportplatz der JVA Wuppertal-Ronsdorf schallte. Die Spieler der Mannschaft der JVA Herford feierten ihren Triumph. Sie hatten im Endspiel das Team der JSA Berlin nach torloser regulärer Spielzeit mit 3:2 im Neunmeterschießen bezwungen und damit den Sepp-Herberger-Pokal 2021 gewonnen. Wenig später erhielten sie für ihren Coup aus den Händen des 48-maligen Nationalspielers Jens Nowotny die DFB-Meisterplakette. Damit ist die Geschichte des seit dem Jahr 2008 von der DFB-Stiftung Sepp Herberger ausgetragenen Turniers um ein Kapitel reicher.

Das Turnier um den Sepp-Herberger-Pokal ist der sportliche Höhepunkt der Resozialisierungsinitiative
„Anstoß für ein neues Leben“.

Nach der pandemiebedingten Absage im vergangenen Jahr sorgte dies bei den Verantwortlichen der DFB-Stiftung Sepp Herberger sowie der gastgebenden JVA Wuppertal-Ronsdorf für Erleichterung und Zufriedenheit. „Seit fast zwei Jahren konnten wir kein richtiges Fußballturnier mehr bestreiten. Unsere Spieler haben sich sehr auf diesen Tag gefreut“, betont Ralf Müller, Bereichsleiter und Koordinator Sport in der JVA Wuppertal-Ronsdorf. Auch Nico Kempf, der stellvertretende Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger, war glücklich: „Wir sind froh, dass mit dem Turnier um den Sepp-Herberger-Pokal jetzt wieder der sportliche Höhepunkt unserer Resozialisierungsinitiative ‘Anstoß für ein neues Leben’ stattfinden konnte.“

Kempf gratulierte auch den Frauen der JVA Iserlohn, die sich gegen die Konkurrenz aus der JVA Köln durchsetzen konnten. Mit der Veranstaltung wurde die DFB-Stiftung Sepp Herberger einmal mehr der Ambition ihres Namensgebers gerecht. Denn der Weltmeister-Trainer von 1954 machte es sich nach seinem Besuch der JVA im baden-württembergischen Bruchsal im Jahr 1970 zur Lebensaufgabe, einstigen Straftätern Chancen für eine erfolgreiche Resozialisierung zu eröffnen. Sein Bestreben wurde später in der Stiftung institutionalisiert und stellt damit die älteste Säule ihres Engagements dar. Im Rahmen der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ werden jugendliche Strafgefangene gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, den Justizministerien der teilnehmenden Bundesländer, den DFB-Landesverbänden und weiterer Unterstützer, aktiv auf die Zeit nach der Haftentlassung vorbereitet.

In den teilnehmenden Justizeinrichtungen werden „Anstoß-Mannschaften” gegründet, in denen Frauen oder Männer im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zusammenkommen. Sie erwerben über den Fußball soziale Kompetenzen wie Teamgeist und Fair Play oder absolvieren Bewerbungs- und Anti-Gewalt-Trainings. Zur Initiative gehören auch regelmäßige Besuche der prominenten Stiftungsbotschafter in den Strafanstalten. Anlässlich des Sepp-Herberger-Pokals kam der 48-malige Nationalspieler Jens Nowotny nach Wuppertal.

„Es hat Spaß gemacht zuzuschauen. Alle waren heute mit vollem Einsatz dabei, aber es ging beeindruckend fair zu“, sagt Nowotny. Doch nicht nur das. Die acht Männer- und zwei Frauen-Teams aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die am Samstag ins Bergische Land gekommen waren, zeigten auch richtig guten Fußball. „Wenn der Ball rollt, denke ich nur an die nächste Aktion. Das ist die perfekte Ablenkung vom Alltag hinter Gittern“, meint Dennis. Der 20-Jährige, der in Wahrheit anders heißt, gehört zum Anstoß-Team der JSA Berlin. Für ihn ist der Fußball eine Brücke in ein neues Leben. „Wenn ich hier raus bin, will ich meine Ausbildung abschließen“, sagt er. Die Anstoß-Initiative sei für ihn eine gute Unterstützung.

Der 48-malige Nationalspieler Jens Nowotny überreichte die Meisterplakette.

Kirsten Roth, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Wuppertal/Solingen, hofft genau auf diese Impulse: „Wir sind froh, bei der Initiative dabei zu sein. Beim Fußball erwerben die jungen Leute Tugenden, die auch im Arbeitsleben wichtig sind. Sie müssen Regeln akzeptieren, Disziplin und Ausdauer an den Tag legen und erleben, was guter Teamgeist bewegen kann.“

Letzteren Aspekt betont auch Edgar Borgmann, Präsidiumsmitglied des Fußballverbandes Niederrhein: „Es ist faszinierend zu sehen, welche verbindende Kraft und Dynamik vom Fußball ausgehen kann", so Edgar Borgmann. “Die Organisation der gesamten Veranstaltung war vorbildlich. Bei allem Ehrgeiz stand stets das Fair Play im Vordergrund. Mit Herford gab es zudem einen würdigen Sieger bei den Herren.“ 

Für Dynamik ganz anderer Art sorgte Rapper Danny Fresh: Unter seiner Anleitung hatten die Jugendlichen aus der JVA Wuppertal-Ronsdorf in einem Workshop den Titel „bye bye“ erarbeitet, der nun auf der Bühne präsentiert wurde. Dessen Botschaft verstand jeder. Denn trotz aller Begeisterung für das Turnier hinter Gittern, wollen doch alle Teilnehmenden die Zeit zwischen Mauern und Stacheldraht bald hinter sich lassen.

Übersicht über die teilnehmenden Mannschaften:

JVA Hövelhof (NRW)
JVA Wuppertal-Ronsdorf (NRW)
JSA Schifferstadt (Rheinland-Pfalz)
JSA Berlin
JA Hameln/JVA Vechta (Niedersachsen)
JVA Herford (NRW)
JVA Heinsberg (NRW)
JVA Adelsheim (Baden-Württemberg)
JVA Iserlohn (NRW)

 

Erfahrungsbericht von Schiedsrichter Rolf Kramer:

Am 02. Oktober 2021 fand in Wuppertal-Ronsdorf der Sepp-Herberger-Pokal statt. 12 motivierte
Mannschaften, ein ganzer Tag Fußball. Das Besondere hierbei war die Tatsache, dass dieses Turnier
in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf stattfand. Das von der DFB-Stiftung Sepp-
Herberger mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit und des Fußballverbandes Niederrhein
ausgerichtete Turnier fand unter dem Motto „Anstoß für ein neues Leben“ statt. Die
Resozialisierungsoffensive der DFB-Stiftung Sepp Herberger ermöglicht einem ausgewählten Kreis
von Insassen das Mitwirken bei der JVA-Mannschaft – ein „Privileg“, so sagte der Leiter der JVARondorf
Wolfgang Schriever bei einer Unterhaltung zwischen den Spielen.

Bereits bei der Ankunft war meinen drei Kollegen Marcel Stach, Jamal Achaaibi, Michael
Rießmann und mir klar, dass dies kein „normales“ Turnier werden wird. Um 9:00 Uhr trafen wir
uns vor dem Gebäude der JVA und wir wurden dort freundlich von einer Justizvollzugsbeamtin
empfangen. Im Anschluss folgte die routinemäßige Taschenkontrolle, Abgabe der Handys und des
Personalausweises. Hinter der nächsten Tür dann die ca. 5m hohe Schleuse, durch die wir hindurch
begleitet wurden, gefolgt von einer weiteren Mauer, umzäunt von Stacheldraht. Die Stimmung:
Bedrückend. Das bewölkte, graue Wetter trug zur anfänglich düsteren Stimmung bei. Nachdem wir
einen ca. 500m langen Gang, vorbei an den Werkplätzen, Essensräumen und Ausbildungsstätten der
Insassen vorbei gegangen sind wurden wir von der Turnierleitung freundlich in Empfang
genommen. Auf der gegenüberliegenden Hofseite sahen wir die Insassen hinter den Gitterfenstern
stehen, die uns beobachteten. Nach dem Umziehen begaben wir uns dann in den Innenhof der JVA.
Die ersten Mannschaften, welche mit uns zusammen den Sicherheitscheck durchliefen (allerdings in
Kleinbussen voneinander getrennt) fanden sich bereits auf der Sportanlage ein. Ein moderner und
sehr gepflegter Kunstrasenplatz inmitten der JVA war der Spielort für die zehn Herren- und zwei
Frauenmannschaften, die aus ganz Deutschland angereist waren.

Vor dem ersten Spiel wussten wir Schiedsrichter nicht genau, was uns hier heute erwarten sollte:
Ein knüppelhartes Getrete? Brutale Einsteigen, böse Foulspiele, vielleicht sogar Gewalt? Man kennt
ja die Geschichten, die man aus dem Gefängnis hört... Unsere Befürchtungen sollten sich jedoch mit
dem Anpfiff der ersten Spiele bereits erübrigen. Den gesamten Tag über erlebten wir ein
„beeindruckendes Fair Play“, so wie es auch Jens Nowotny, ehemaliger Nationalspieler und
Stiftungsbotschafter bilanzierte. Alle Mannschaften waren sehr motiviert, aber zu keiner Zeit unfair
und selbst wenn es zu Foulspielen kam wurde sich umgehend entschuldigt und die Hand gegeben.
Einen solchen Umgang miteinander würde ich mir als Schiedsrichter auf unseren Sportplätzen
manches Mal wünschen.

Positiv auffällig war an diesem Tag auch die spielerische Klasse mancher Akteure, die mit großer
Wahrscheinlichkeit in den oberen Amateurligen mithalten könnten. Kein Gebolze, sondern guter
Fußball prägte diesen tollen Tag. Was mir persönlich auch sehr gefallen hat war die Offenheit und
der gegenseitige Respekt, ebenfalls Dinge, die „draußen“ nicht immer selbstverständlich sind. Man
hat sich mit den Insassen der unterschiedlichen Anstalten ganz normal und locker unterhalten
können. Auch die Betreuer waren zu jeder Zeit für einen kleinen Smalltalk zu haben. Bei einem
gemeinsamen Kaffee und belegten Brötchen hat man sich ein paar Minuten zusammen an einen
Tisch gesetzt und über alltägliche Dinge gesprochen.

Gegen 16 Uhr dann pfiff mein Kollege Jamal das Endspiel der Herrenmannschaften der JVA
Herford gegen die JSA Berlin, welches Herford mit 3:2 nach Neunmeterschießen für sich entschied.
Ein langer Tag ging zu Ende. Eine tolle Sache für uns Schiedsrichter, die Möglichkeit erhalten zu
haben bei diesem tollen Turnier in der JVA dabei sein zu dürfen. Diese Erfahrung macht sicherlich
nicht jeder und umso beeindruckender sind die bleibenden positiven Bilder, die wir aus diesem Tag
mitnehmen. „Es ist faszinierend zu sehen, welche verbindende Kraft und Dynamik vom Fußball
ausgehen“, sagte Edgar Borgmann, Präsidiumsmitglied des Fußballverbandes Niederrhein. Meine
Kollegen und ich können sich dieser Aussage uneingeschränkt anschließen.